HQ-Modellflug
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RidgeRunner

Nurflügelmodell für Hang- und Elektroflug

 

Paul G. und Helmut Q. mit

RidgeRunner am Hahnenmoos/CH, 7/2004

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis das flugmechanische System dieses Nurflüglers durchschaut war und alle Trimmstellungen und Ruder-ausschläge optimiert waren!

 

 

Foto: ©Martin Bammert/CH

 

Der "RidgeRunner" wurde 2004 entwickelt und gebaut, um die Leistungsfähigkeit der neuen druckpunktfesten HQ/S-Profile für Nurflügel-Modelle praktisch  zu verifizieren. Da mir ein flotter Hangrenner vorschwebte, mit dem man auch mal würde "Dizzen" können, wurde das Profil HQ/S-1,5/9/... ausgewählt, das theoretisch seinen geringsten Widerstand bei Nullauftrieb erreicht, aber mit Wölbklappenausschlag um ca. -3° im Langsamflug auch gute Auftriebswerte zum Auskreisen von Thermik und bei entsprechender Schwerpunktlage eine statische Längsstabilität von guten 8 bis 10 % liefern sollte.

Die ersten Flugerprobungen im Frühjahr 2004 an den Fisser Hängen zeigten gleich, dass die Leistungsfähigkeit des Profils den Erwartungen bestens entsprach; jedoch das flugmechanische Verhalten des Modells gab noch einige Probleme zum Nachdenken auf, die erst einmal die weitere Erprobung verzögerten (s.u.).  Mein guter Modellfliegerfreund, Stefan Siemens, bekannt als FMT-Autor von Testreports und fesselnden Reiseberichten über exklusive Hänge in Europa und selber begeistert von schnellen Brettchenmodellen, machte sich aber gleich nachdem ich die Profile auf dieser Homepage vorgestellt hatte daran, innerhalb von 2 Wochen einen trapezförmigen "Hangkanten-Feger" mit dem HQ/S-1,5/9/... zu bauen, um ihn in einem anstehenden Urlaub auf "Callow Banks" bei Sheffield/UK zu testen. Sein Kommentar danach: "...schnell  wie "Schmidt's Katze..." So ersparte er mir erst einmal die eigenen weiteren Profilerprobungen!

Andere Aktivitäten und Projekte führten dazu, dass der RidgeRunner leider bis zum  Frühjahr dieses Jahres (2008) ein stiefmütterliches Dasein führen musste. Jetzt  wurde er wieder einmal ausgepackt, und zeigte an den "Colli di San Fermo",  dass er mit den aus einer genauen Problemanalyse gefolgerten Änderungen und neuen  Einstellungen beim Kreisen in der Thermik und beim schnellen Hangkantengleiten ganz brav meinen Knüppelausschlägen am Sender folgen kann. So ist er jetzt auf bestem Wege, mein stiefmütterliches Herz doch noch zu erweichen und hat es verdient, hier vorgestellt zu werden!

Der Tragflügel des RidgeRunner wurde durchgehend mit dem Profil

HQ/S-1,3/9/0,023

aufgebaut. Dieses Profil geht aus dem HQ/S-1,5/9 hervor, wenn die Klappe an der Flügelhinterkante um -2° nach oben ausgelenkt wird. Dann erhält man nämlich ein positives Moment von Cmo=0,023, das schon für ganz passable statische Längsstabilität sorgt.

Siehe dazu auch die HQ/S-Polaren

Die Winglets erhielten HQ/Winglet

Diese Grafik gibt die relativen Lagen von Schwerpunkt, Gesamtneutralpunkt und lokaler Neutralpunktverteilung des RidgeRunners wieder.

 Insbesondere erkennt man, dass die Gesamtgewichtung der lokalen Neutralpunktverteilungen am Innenflügel (1. und 2. Trapez) vor dem Schwerpunkt liegt, während sie beim Aussentrapez deutlich dahinter liegt.

Für das flugmechanische Verhalten des Modells folgt hieraus, dass bei positivem Ausschlag der Klappen des Innenflügels der dadurch entstehende Zusatzauftrieb vor dem Schwerpunkt angreift und so ein positives Drehmoment um die Schwerpunktachse erzeugt, die das Modell aufbäumen lässt, entsprechend andersherum bei negativem Klappenausschlag. Bei positivem Ausschlag der Klappen des Aussenflügels greift die entstehende zusätzliche Auftriebskraft hinter dem Schwerpunkt an und erzeugt ein negatives Drehmoment um die Schwerachse, so dass das Modell mit der Nase nach unten will, entsprechend wieder  andersherum, wenn die Klappen gezogen (nach oben) werden.

Somit steht fest, dass bei dieser Konstruktion die inneren Klappen als Höhen- und Querruder besser nicht eingesetzt werden (wenn doch, dann gerade entgegengesetzt zu den Aussenrudern). Letztendlich wurden die Innenklappen nur noch zum Butterfly-Bremsen verwendet, dafür lassen sie sich sogar recht stark auslenken und erzielen beste Wirkung.

An dieser Grafik ist vor allem die prinzipielle Wirkung der Winglets für das Modell abzulesen. Ohne Winglets gingen die lokalen Auftriebsbeiwerte und der  lokale Auftrieb rasch gegen Null und es bestünde vor allem im Bereich der Flügelspitzen im Langsamflug stete Gefahr eines Strömungsabrisses, der bei niedrigen Re-Zahlen und gleichzeitig niedrigem Auftriebsbeiwerten ja immer bei       S-Schlagprofilen latent  vorhanden ist. Mit Winglets sind vor allem die lokalen Auftriebsbeiwerte noch ausreichend hoch , um dieses Problem zu vermeiden.

Andererseits wird durch die Winglets das Maximum des Auftriebsbeiwertes gegenüber dem des Tragflügels  ungünstig nach außen verschoben. Idealerweise sollte das Maximum des Auftriebsbeiwertes ja nahe beim Auftriebsschwerpunkt  des Flügels (also etwa bei 43 % der Halbspannweite) liegen, damit bei einem Strömungsabriss, der in der Regel  beim  höchsten Auftriebsbeiwert zuerst eintritt, keine Instabilität um die Längsachse entsteht, die zu unkontrollierbaren Veränderungen der Fluglage führt. Es sind andere stabilisierende Eigenschaften der Winglets, die wiederum dafür sorgen, dass sich das Modell dennoch gutmütig verhält

Der Autor muss auch zugeben, dass eine etwas besser aufeinander abgestimmte  Zuspitzung der  Trapeze eine günstigere Auftriebsverteilung mit dem Maximum der lokalen Auftriebsbeiwerte nahe am Schwerpunkt des Auftriebs bewirkt hätte, bei der ein kritisches Abreißen der Strömung nahe am Auftriebsschwerpunkt des Flügels aufträte und das Modell in kritischen, überzogenen Lagen sich noch etwas gutmütiger verhielte. Aber es fliegt auch so ganz passabel stabil.

Eine spannende Frage bei jedem Nurflügel ist und bleibt, ob er bei Querruderausschlag auch mit positivem Gieren in die gewünschte Richtung reagiert. Von den Brettchen-Modellen weiß man inzwischen, dass sie bis zu Streckungen von L » 8 bis 10 im allgemeinen auch bei höheren Auftriebsbeiwerten noch ohne Schränkung ganz passabel gieren. Mit höheren Streckungen benötigen die Modelle zusehends größere Schränkungen und je nach Auftriebsverteilung auch noch eine Pfeilung, damit der Auftriebsmittelpunkt und der Ort für den maximalen Auftriebsbeiwert nahe beieinander liegen (s.o.).. Deshalb wurde beim RidgeRunner für den Tragflügel eine moderate Streckung von L » 7 gewählt und auf Schränkung verzichtet. Für eine indirekte Streckungserhöhung sorgen ja auch noch die Winglets, deren Auswirkung auf die effektive Streckung aber schwer abzuschätzen ist.

Am Zustandekommen des  Gierens als Reaktion auf einen Querruderausschlag, die in der Flugmechanik durch das Roll-Wende-Moment beschrieben wird, sind zwei Effekte beteiligt:

1. Zunächst hat beim Rollen um die Längsachse die nach oben gehende Fläche durch die zusätzliche Anströmung von oben einen geringeren Anstellwinkel als beim Normalflug und damit im Mittel einen geringeren Widerstand. Bei der gegenüberliegenden Flügelhälfte ist es gerade andersherum. Damit entsteht ein positives Rollmoment wie gewünscht.

2. Infolge der lokal geänderten Anströmungsrichtungen beim Rollen neigt sich an der nach oben gehenden Fläche aber auch der lokale Auftriebsvektor nach hinten und auf der andern Seite nach vorn (siehe Theoriebuch des Autors, S. 144). Dadurch entsteht ein negativer Beitrag zum Wendemoment, der mit dem Auftrieb, dem Quadrat der Geschwindigkeit, der Rollgeschwindigkeit  und insbesondere  quadratisch mit der Spannweite zunimmt.

Bei kleineren Streckungen, mäßigen Geschwindigkeiten und moderaten Rollraten überwiegt der erstere Effekt, bei größeren Streckungen der zweite, so dass ohne Schränkung und Pfeilung kein positives Gieren mehr zustande kommt. Hier liegt auch die Erklärung, dass die Brettchen im Schnellflug so schöne Rollen fabrizieren.

Beim RidgeRunner wurde offensichtlich ein gutes Maß an positivem Roll-Gier-Verhalten erzielt, jedenfalls lässt er sich auch im Langsamflug sehr schön kreisen (nachdem die Roll-Dämpfung erhöht war, s.u.).

Eine ganz hässliche Eigenart zeigte das Modell gleich am Anfang im Langsamflug, nämlich giftige, kaum zu kontrollierende  Rollausschläge bei  schon geringster Betätigung der Querruder. Natürlich gab es viel Ratschlag der "Experten"-Freunde, die Querruderausschläge zu reduzieren, deutlich mehr Expo etc. Am Ende flog es zwar fast ohne Schaukeln aber auch nicht mehr ums Eck. Gut dass erst mal andere Projekte anstanden.

Nun sollte es einem in der Flugmechanik bewanderten Menschen doch möglich sein, die genaueren Ursachen für das Problem zu analysieren und die nötigen Maßnahmen zur Abhilfe zu finden. Im Nachhinein war natürlich alles ganz plausibel. Grund für das Verhalten waren vorrangig ein relativ großes Schieberollmoment und eine nur sehr mäßige Rolldämpfung.

1. Zuerst zur Rolldämpfung:

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Wenn ein Modell um die Flügelachse rollt, so wird der Flügel von der Luft  an der niedergehenden Seite außer von vorne auch von unten angeströmt und auf der aufsteigenden Seite von oben. Dadurch treten am Flügel zusätzliche vertikale Kräfte auf, die der Rollbewegung entgegenwirken und es entsteht ein Drehmoment, das die Rollbewegung dämpft. Flugmechanisch lässt sich dieses Roll-Roll-Moment, wie es bezeichnet wird, wie folgt ausdrücken:

wx [grad/s] ist die Rollgeschwindigkeit und q ist der der Staudruck:

r  ist die Luftdichte. Weiter leitet man hieraus für das Derivativum des Roll-Roll-Momentes ab:

Dieser Ausdruck zeigt, dass die Roll-Roll-Dämpfung proportional zur Fläche F  des Flügels und zum Quadrat der Halbspannweite s ist. Darüber ist ersichtlich, dass sie mit der Fluggeschwindigkeit V  zunimmt, was erklärt, dass das Schaukeln um die Längsachse mit der Geschwindigkeit abnimmt. Da das Roll-Roll-Moment der Drehrichtung entgegengesetzt ist, ist der Momentenbeiwert cLx  negativ.

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Dieser Dämpfung wirkt andererseits aber wiederum die Trägheit der Flügelmassen entgegen. Das Massenträgheitsmoment eines kleines Flügelsegmentes ist das Produkt aus seiner Masse m und dem Quadrat seines Abstandes y  von der Rumpfachse (Rollachse), nämlich m@y2. Die Summe aller Massensegmente am Flügel kann man schließlich darstellen als das Produkt der Gesamtmasse m und dem Quadrat des Abstandes ym des  Masseschwerpunktes von der Rumpfachse:

 

Im Hinblick auf den RidgeRunner ist auf der rechten Seite dieser Formel der erste Summand das Massenträgheitsmoment des Tragflügels ohne Winglets, der zweite Summand ist der des Winglets. Auch wenn die Masse des Winglets nicht so groß ist, ist sein Massenträgheitsmoment wegen des großen Wingletabstandes zur Rollachse doch erheblich.  Es empfiehlt sich daher, die Winglets so leicht wie irgend möglich zu bauen, ein Punkt, der beim RidgeRunner leider  erst nicht genügend beachtet wurde.

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Nach der Flugmechanik gilt für den Rolldämpfungskoeffizienten d , der das eigentliche Maß für die dynamische Dämpfung der Rollbewegung ist:

 

Grundsätzlich ersieht man daraus, dass vor allem bei geringen Spannweiten die Massen des Tragflügels zur Flügelspitze hin möglichst gering sein sollten, um eine gute dynamische Dämpfung der Rollbewegung zu erzielen. Das ist beim RidgeRunner leider nicht der Fall gewesen und erklärt zu einem großen Teil das instabile Verhalten um die Längsachse.

2. Zum Schieberollmoment

Wie schon erwähnt zeigte der RidgeRunner eine besonders hohe Rollempfindlichkeit bei Einsatz der Querruder im Langsamflug. Durch die Betätigung der Querruder wird besonders bei Modellen mit kurzen Spannweiten wie den Nurflüglern schnell eine Schiebebewegung eingeleitet, die neben der eingeleiteten Rollbewegung aufgrund von Kopplungseffekten auch noch ein zusätzliches Schieberollmoment initiiert. Wenn die Rolldämpfung dann wie beim RidgeRunner  nicht ausreicht, ist das Modell um die Rollachse kaum zu bändigen. 

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In flugmechanischen Termen gilt für das Schieberollmoment

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Das Derivat cL des Schieberollkoeffizieten hängt im wesentlichen von drei Einflussgrössen ab:

1.   Schon beim Flügel ohne V-Form und ohne Pfeilung ergibt sich beim Schieben an der vorgehenden Flügelhälfte ein Zusatzauftrieb und an der anderen ein entsprechender Abtrieb, dieser Anteil ist grob geschätzt 

» 2@cA/(p@L)

 

cA ist der Gesamtauftrieb des Modells und L die Streckung des Tragflügels. Man ersieht daraus auch, dass dieser Faktor sich besonders bei höheren Auftriebswerten und bei Modellen mit geringer Streckung bemerkbar macht.

2.   Die mittlere Pfeilung q des Tragflügels liefert einen Beitrag gemäß  

» cA@ sin q @ sA/s

 

wobei s die Halbspannweite und  sA der Auftriebsmittelpunkt der Halbfläche ist

3.    Die V-Form schließlich liefert  einen Beitrag 

» 2p @ aF @ sA/s @ n

 

hierin ist aF der Effizienzfaktor des Tragflügels und n  die mittlere V-Form.

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Bei Rückpfeilung und positiver V-Form liefern alle 3 Beiträge einen positiven Beitrag zum Schieberollmoment. Vor allem wächst das Schieberollmoment bei den beiden ersten Beiträgen mit dem Auftriebsbeiwert.

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Obwohl der Tragflügel des RidgeRunners selbst anfangs schon 0°-V-Form hatte, lieferte wohl die V-Form der Winglets einen erheblichen positiven Beitrag zum Schieberollmoment und die beiden ersten Beiträge taten mit zunehmendem Auftrieb im Langsamflug ihr Übriges dazu.

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Es lag also nahe, eine negative V-Form, n < 0, zu wählen, womit der  3. Beitrag zum Schieberollmoment negativ würde und die beiden anderen positiven Beiträge kompensiert würden. Also wurde dem Tragflügel des RidgeRunners erst einmal eine moderate V-Form von  - 1,5° pro Seite verpasst und diese an den Colli di San Fermo (s.o.) erprobt. Diese Maßnahme bewirkte nahezu Wunder, jetzt konnte das Modell endlich stabil in der Thermik gekreist werden und zeigen welches Leistungspotential in den HQ/S-Profilen steckt.

bullet

Als weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Rolldämpfung sollen demnächst kleinere und leichtere Winglets erprobt werden und die V-Form des Flügels soll evt.  auch noch auf -2° pro Seite verändert werden.

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Bei einer neueren Version des RidgeRunners würde auch darauf geachtet, die Trapezformen des Tragflügels besser aufeinander abzustimmen, so dass die Position des maximalen lokalen Auftriebsbeiwertes in die Nähe des Auftriebsmittelpunktes verschoben würde.

 

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